Künstlerinnen
Wie die hier zusammengestellten Porträts von zeitgenössischen europäischen und amerikanischen Künstlerinnen eindrucksvoll zeigen, gehen Frauen in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts ihren
eigenen Weg, auch diejenigen, die lange nur als Ehefrauen von bedeutenden Künstlern angesehen wurden. Sie lassen sich meist keiner der bestimmenden Stilrichtungen zuordnen, bevorzugen
Mischtechniken oder einen ‹sichtbaren› Farbauftrag. Die Themen entstammen oftmals der weiblichen Lebensrealität: Die hier vorgestellten Frauen beschäftigen sich immer wieder mit Gewalt, mit der
Identität als Frau, dem eigenen Körper oder dem kommerziellen weiblichen Schönheitsideal, mit dem Zerfall der Seele und der Natur der Realität. Viele sind Feministinnen, viele von Krankenhaus-
oder Psychiatrieaufenthalten geprägt (nicht alle).
Die Stuttgarter Künstlerin Pola Polanski hat von allen hier Vorgestellten ein Porträt gezeichnet und diesem eine Lebensskizze und ein inspiriertes Stichwort zur Charakterisierung des Werks oder
der Person gegenübergestellt. Sie hat ihre Werke gründlich studiert und kennt einige von ihnen persönlich, kann sich zudem als Künstlerin zwanglos in die ihr nahestehenden Frauen einfühlen.
Schriftstellerinnen
Ein weiteres Projekt der Künstlerin zeigt 38 Autorinnen, die in auch in Tusche gemalt sind. Neben einer Vita der Schriftstellerinnen kommen hier die Autorinnen meist durch Zitate zu Wort.
Ich bin viele – zum Werk von Pola Polanski (Auszug)
»Man sollte nicht versuchen, sich eindeutige Identitäten zu konstruieren. Je komplexer Identitäten sind, desto besser.« (Daniel Kehlmann)
Wer sich dem Schaffen Pola Polanskis nähert, begibt sich auf unsicheres Gelände, das schon im Kopf des Lesers beziehungsweise des Betrachters beginnt: Pola Polanski, d. i. Annette Haug, ist
Künstlerin und Schriftstellerin – eine Doppelbegabung. Dabei ist ›doppelt‹ vielleicht schon eins zu viel. »Fühlst du nicht an meinen Liedern / Daß ich Eins und doppelt bin?«, so heißt es bei
Goethe mit Blick auf das Gingkoblatt. Ist Annette Haug die Künstlerin und Pola Polanski die Autorin? Oder umgekehrt? Geht es wirklich nur um ein Pseudonym gegenüber einem bürgerlichen Namen, wo
doch beides offenliegt? Es mag sein, dass der Künstlerinnenname nur das Alter Ego ein und derselben Person ist. Polanski, der Filmregisseur, kommt
dennoch in den Sinn – ein Mensch mit
vielschichtiger, auch abgründiger Persönlichkeit. „Pola“ wäre
möglicherweise ein klanglicher Auftakt; ein Schelm, wer an die Tochter Klaus Kinskis denkt, oder jemanden mit Dissoziativer
Identitätsstörung. Geht es hier gar nicht um Doppelung, sondern um ein fiktives Glatteis, auf das uns die Künstlerdichterin führt?
Günter Baumann, August 2023
Bilder der Ausstellung, © Otto Hablizel
Ausstellungsdauer: 08.11.2024 – 07.12.2024
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