Das Bob-Dylan-Projekt entstand 2016 etwa ein halbes Jahr vor der ominösen Nobelpreisverleihung an Dylan. Der ApoEpigone, ExKulturminister und Talker Daniel Cohn Bendit hatte als Gast des Literarischen Quartetts einen Fernsehauftritt, in dem er die Fragestellungen der Literarischen Runde bezüglich der dort diskutierten Schriftsteller gelangweilt als sekundär wichtig oder gänzlich unbedeutend bezeichnete, solange Bob Dylan den LiteraturNobelPreis noch nicht habe. Das gab meinen Mitstreitern und mir doch heftig zu denken und erste Absprachen über dieses Projekt fanden statt. Es war schnell klar: viele von uns arbeiten seit Jahren zu und mit Dylan als Bezugspunkt.
Die ursprünglich in der Ausschreibung für dieses Projekt angeregte kritische Auseinandersetzung zum Thema Verletzbarkeit und Bedrohung des Menschen in den Texten Dylans wurde von einigen
Künstlern aufgegriffen, aber nur von einigen. Allgemeiner die Würde des Menschen als Hauptthema Dylans zu behandeln – sofern sie ohnehin allgemeiner Songinhalt Dylans ist – ist die Sache der
anderen Künstler. Bekannte Songs Dylans bildeten überwiegend die Grundlage für die verarbeiteten Bildszenerien: Ich-bezogene Interpretationen von Songs, mitunter höchst differenziert, die
Ausstellung/das Dylan-Projekt bietet einen breiten Querschnitt der Dylan-Songs in subjektiver Bildsprache. Die Nicht-heile-Welt Dylans, seine Endzeit-Szenarien und das latente Grauen im scheinbar
Harmlosen interessierte hierbei natürlich besonders. Aber auch die skurrilen Absurditäten eines detailverliebten Dylan interessierten, die ebenso detailverliebte Interpretationen in der
bisherigen Ausstellung in Möglingen nach sich zogen, z.B. der „leopard-skin pill-box hat“ bei Roland Bentz und bei Matthias Gnatzy (siehe auch: die Abbildung auf dem Katalogcover)... Die
leopard-skin pill als ein Beispiel für die akzentuierte Darstellung des Alltäglichen, das geradezu mythologische magische Bedeutung bekommen kann, was bei Dylan eigentlich durchgehendes
Arbeitsschema ist.
Dylans Portraits waren natürlich ebenfalls Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit seiner Person, meist dargestellt in Relation zu in Bilder übersetzten Textelementen oder in Relation
zu Bildsymbolen, die für Songinhalte stehen.
Der Wunsch, das Ego Dylans zu erfassen oder zu umkreisen, seine Motivation und Qualität zu ergründen und hochzuhalten, spielt eine bedeutende Rolle (z.B. bei Ines Scheppach in Relation zu Dürer,
Genies in Nachbarschaft über Jahrhundertgrenzen hinweg sozusagen). Aber auch die Infragestellung Dylans, seine Reduzierung auf eine Pseudo-Identität mit der Frage: Wer ist er eigentlich, warum
ist er so? Gibt es ihn überhaupt? Ist er selbst eine Fiktion? All dies ist in Bild und Inszenierung hier vertreten (u.a. bei Rautenberg/von Ulardt).
Auch bei A. Bopp ist Dylan aus dem (auf das Plattencover „Street Legal“ bezogenen) Bild verschwunden – oder er ist noch nicht aufgetaucht? Eine Metapher auf die soziale Indifferenz und Ambivalenz
Dylans. Die Sphinx Dylan, die sich uns immer deutlicher entzieht, je näher wir herankommen wollen, ist immer wieder thematisiert.
Auch (ironische) Ausblicke sind da: Welche Songinhalte können noch kommen, welche Songinterpretationen stehen uns bevor? Natürlich Ich-zentriert: Welchen Song schriebe ich als nächstes, wenn ich
Dylan wäre? Petra Brinkschmidts Mädchendarstellung deutet es an: die latente Bedrohung im scheinbar Harmlosen nehmen wir jetzt doch schon automatisch wahr!?. Der Song dazu läuft möglicherweise
bereits in uns – wenn nicht, dann kommt es noch (it`s getting there)…
Werden wir Bob Dylan gerecht? Am wenigsten werden wir ihm gerecht, wenn wir ihn einfach als PopStar sehen, eingebettet in eine unkritische Musikindustrie. Zoltan Toths Bild verkörpert eine
bewusst triviale, auf die Pop Art bezogene Sicht auf Dylan und passt gerade deshalb wunderbar in eine Ausstellungsreihe, in der Dylan eher als Anti-Pop-Literat gefeatured wird.
Die Darstellung des Flower-Power-Dylan ist eigentlich keine Kritik an Dylan, sondern eine Glossierung der Pop-Kultur, in die Dylan – nolens volens – eingebettet ist. Die Verwendung des
Nicht-Hinterfragten und auch nicht veränderten Abbilds Dylans zeigt die Austauschbarkeit und beliebige Verwendbarkeit von Bildklischees, Dylanbildklischees, vor denen wir uns selbstverständlich
hüten sollten…
Günther Sommer
Künstler:
Monika Adams-Steegmaier
Sigrid Artmann
Jürgen Bauer
Alexander Beck
Roland Bentz
Albrecht Bopp
Albrecht Breunlin
Petra Brinkschmidt
Uhr Buley
Klaus Bushoff
HWP Diedenhofen
Karsten Diekmann
Christa Düwell
Sibylle Duhm-Amaudov
Armin Elhardt
Jürgen Elwert
Barbara Fauser
Friederike Fricker
Anita Fried
Elke Gaertner
Dorothea Geppert-Beitler
Matthias Gnatzy
Martina HampeKathrin Hillermann
Otto Peter Hisenbek
Hans-Georg Hofmann
Daniel Kast
Andreas Kerstan
Karla Kreh
Karin Lämmle
Peter Lauck
Angelika Lill-Pirrung
Anja Luithle
Marlis Mader
Dagmar Manz-Wodang
Daiana Maties
Wolfgang Melzer
Sibylle Möndel
Susanne Müller-BajiIngrid Neumann-Dannecker
Petra Ohneseit
Kersten Paulsen
Peter Prothmann
Dieter Rautenberg
Vera Reschke
Ines Scheppach
Meike Schmiedebach
Günther Sommer
Inge Stahl
Brigitte Staub
Hartmut Steegmaier
Birgit Stoll
Dieter Stoll
Ulrich Stürmer
Zoltan Toth
Vernissage
Freitag, 9. November 2018, 20 Uhr
Begrüßung
Christina Knauer, 1. Vorsitzende
Einführung
Klaus Bushoff, 2. Vorsitzender
Armin Elhardt, Autor
„One too many mornings“
Hubert Sowa
Piano und Gesang
Horse Mountain – Acoustic Duo
Birgit & Dieter Stoll spielen Songs von Bob Dylan
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